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Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung reduzieren

PUNKT 2

Die Flächeninanspruchnahme, oft auch als Flächen- oder Bodenverbrauch bezeichnet, beschreibt den dauerhaften Verlust biologisch produktiven Bodens, insbesondere durch Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke (Umweltbundesamt 2021). Die Flächeninanspruchnahme betrug in Österreich in den letzten Jahren im Durchschnitt 10 bis 12 ha/Tag (inklusive der Freizeit- und Abbauflächen), etwa 40 % davon wurden versiegelt (Umweltbundesamt 2019). Auch in Zukunft ist mit einer weiteren Nachfrage nach Siedlungsflächen zu rechnen. Bis 2040 wird ein Zuwachs an Einwohner:innen um ca. 7 % erwartet (Statistik Austria 2019), die Nachfrage nach Bauflächen und Wohnraum ist hoch und hat in den letzten Jahren zu einem deutlich spürbaren Anstieg der Grundstückspreise und Mieten vor allem in den Stadtregionen geführt. Die Nachfrage nach Zweitwohnsitzen treibt ebenfalls die Bodennachfrage und den Grundstückspreise an.

Ziele zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden finden sich seit jeher als Vorgaben in den Raumordnungsgesetzen der Länder. Sie werden durch Gesetze zum Bodenschutz, strategische Programme auf Ebene des Bundes und der Länder gestärkt und gestützt, und durch quantitative Zielzahlen konkretisiert. Sowohl die österreichische Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2002 als auch das Regierungsprogramm 2020–2024 geben als Zielzahl eine neue Flächeninanspruchnahme netto von 2,5 ha/Tag bzw. 9 km²/Jahr bis 2030 an. Diese Ziele sind eingebettet in den EU-Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa, in dem bis 2050 ein Netto-Neuverbrauch von Null vereinbart wurde. Die Herausforderungen zur Klimawandelanpassung sowie zum Klimaschutz verleihen diesen Zielen für die nächsten Jahre hohe Dringlichkeit. 

Die oben angeführten Ziele gelten für den Bund. Eine österreichweite Verankerung unter Einbeziehung der Bundesländer, der Städte und Gemeinden fehlt bisher. Eine österreichweit abgestimmte Zielsetzung ist aber Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung, da zentrale Steuerungskompetenzen bei den Ländern, Städten und Gemeinden liegen.

In der ÖROK-Empfehlung Nr.56 „Flächensparen, Flächenmanagement & aktive Bodenpolitik“ (ÖROK 2017c) wurden die zentralen Instrumente und Maßnahmen bereits dargestellt. In einem nächsten Schritt geht es darum, die Umsetzung durch die Entwicklung eines gemeinsamen österreichweiten Zielbildes mit quantitativen Zielgrößen und Zeithorizonten, verbunden mit einer Regionalisierung auf Bundesländer und in weiterer Folge einer Spezifizierung auf Regionsebene, zu unterstützen. Diese sind in verbindlichere Formen zu gießen. Es gilt die Maßnahmen zu einer effizienteren Nutzung bereits bestehender Potenziale (Innenentwicklung und Nachverdichtung, Aktivierung von Leerständen, Recycling von Brachflächen, Mobilisierung von gewidmetem Bauland) ebenso wie jene zum Schutz noch nicht verbauter Flächen (Schutz landwirtschaftlicher Flächen, Schutz von Natur-, Grün- und Erholungsräumen) in ein strategisches Gesamtkonzept (Quantitative Bodenstrategie für Österreich) einzubetten. Notwendige Entscheidungen zur Umsetzung sind vorzubereiten, die von allen Institutionen mitgetragen werden.

Folgende Kernmaßnahmen und Arbeitsformate werden zur Umsetzung vorgeschlagen: 

  • Datengrundlagen als Ausgangsbasis für österreichweit einheitliche Auswertungen zum Thema Auflassung von Nutzungen (Flächen und Gebäude) verbessern und österreichweite Evidenzen aufbereiten und veröffentlichen (ÖROK-Atlas).
  • Zweckmäßigkeit eines österreichweiten Leerstandskatasters klären sowie bundesweite Push and Pull-Maßnahmen für Eigentümer:innen konzipieren.
  • Brachflächenrecycling fördern (z.B. Novelle ALSAG).
  • Einrichtung einer ÖREK-Partnerschaft zum Thema „2,5 ha“ zur Erarbeitung einer ÖROK Empfehlung für konkrete quantitative Zielzahlen je Bundesland und differenzierte Vorgaben für die unterschiedlichen Raumtypen – verbunden mit qualitativen Zielen (Bodenqualität) zur Senkung der Flächeninanspruchnahme und -versiegelung – prüfen.
  • Flächennutzungen bzw. Veränderungen von Flächennutzungen, die für die Zielüberprüfung bzw. Erreichung des nationalen 2,5 ha Zielwertes relevant sind (z.B. Definition „Flächeninanspruchnahme“ in Relation zur Bevölkerungszahl) definieren und ein nationales Monitoringsystem in Bezug auf quantitative Zielzahlen entwickeln.
  • Maßnahmen zur Implementierung der Zielzahlen für die Länder in die Rechtsgrundlagen der Raumplanung und des Bodenschutzes erarbeiten.
  • Österreichweite Standards und Kriterien für qualitätsvolle Verdichtung durch die überörtliche Festlegung von Mindestdichten und Mindestanteilen an flächensparenden Bauformen sowie Empfehlungen zur Entsieglung von Flächen entwickeln. Instrumente zur Verknüpfung der Reduktionsziele zur Flächeninanspruchnahme mit finanziellen Anreizen sowohl für Kommunen als auch private Grundeigentümer:innen prüfen und erarbeiten. 
  • Ergebnisse der ÖREK-Partnerschaften „Flächensparen, Flächenmanagement und aktive Bodenpolitik" sowie „Leistbares Wohnen“ in neuer ÖREK-Partnerschaft „Baulandmobilisierung und aktive Bodenpolitik" aufgreifen und eine Fortführung in einer neuen Partnerschaft zum Thema „Baulandmobilisierung und aktive Bodenpolitik“ prüfen. Fokus auf die vertiefte Erarbeitung von rechtlichen Grundlagen und Empfehlungen für Möglichkeiten zum Ausgleich von Widmungs- und Dichtegewinnen sowie Absicherung von Qualitätszielen der Raumordnung und leistbarem Wohnen in privatrechtlichen Verträgen legen.
  • Modelle und Grundlagen zur Erstellung und Implementierung regionalisierter Baulandbedarfsberechnungen und zum interkommunalen Handel mit Flächenzertifikaten aufbauend auf den Erfahrungen in anderen Ländern (z.B. Bayern) fachlich prüfen, adaptieren und weiterentwickeln.

Folgende unterstützende Maßnahmen und Arbeitsformate können zur Umsetzung beitragen:

  • Möglichkeiten und Erfordernisse zur Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine künftig verstärkte Rückwidmung von Bauland, das im Widerspruch zu den geltenden Raumordnungszielen und Grundsätzen steht, ausarbeiten und Anforderungen an begleitende Anreiz- und Fördersysteme konkretisieren (z.B. Wohnbauförderung).

„Für die ÖREK-Umsetzung ist die Raumsicht der Sektorpolitiken und ihrer Instrumente erfolgskritisch: Wohnbauförderung, Wirtschaftsförderung, Verkehrsmaßnahmen, Finanzausgleich und Bedarfszuweisungen dürfen nicht weiter zur Zersiedelung und Verkehrsbelastung beitragen, sondern müssen sich auf Flächensparen, Innenentwicklung und klimaresiliente Mobilität ausrichten.”

Sibylla Zech, Raumplanerin, TU Wien