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Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene stärken

ZIEL 1

Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene hat in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht an Bedeutung gewonnen. Sie wurde ein wichtiges Element des Mehrebenen-Systems. Die zunehmend komplexer werdenden gesellschaftlichen Herausforderungen können durch rein staatliche Regelungen nicht mehr adäquat gelöst werden. Hinzu kommt, dass auch die Verwaltungsgrenzen zunehmend ihre Deckungsgleichheit mit den individuellen Lebenswelten verlieren. Aktives (kooperatives) Zusammenwirken von Staat, (Markt-)Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird somit immer wichtiger. Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene gewinnt für die Umsetzung von sektorübergreifenden und sektoralen Politiken an Bedeutung. Das verlangt nach neuen Formen der Koordinierung und Kooperation. Wenn in diesem Koordinierungsprozess unterschiedliche Ebenen (Gemeinde – Region – Land – Bund – EU) beteiligt sind, spricht man von „Multi-Level-Governance“. 

Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene zeigt sich in Österreich aufgrund differenzierter strategischer Überlegungen und maßgeschneiderter Gestaltung sehr vielfältig. Sie ist in unterschiedlicher Form in das institutionelle System von der EU-Ebene über die Bundes- und Länderebene bis hin zur Städte- und Gemeindeebene eingebettet. Wenn von Regionen gesprochen wird, können sehr unterschiedliche Größen, sowohl in Bezug zur Fläche als auch zur Einwohner:innenzahl gemeint sein. Grob können folgende Arten von Regionen in Österreich unterschieden werden:

  • Großregionen mit ca. 80.000 und mehr Einwohner:innen und einer Fläche von zumindest einem, meist aber mehreren politischen Bezirken, im wesentlichen Hauptregionen auf Bundesländerebene, große LEADER-Regionen;
  • Großstadtregionen haben mindestens 100.000 und mehr Einwohner:innen, aber ein meist deutlich geringeres Flächenausmaß als Großregionen;
  • Mittelgroße Regionen mit ca. 10.000 bis 80.000 Einwohner:innen, dazu zählen LEADER-Regionen, Regionen für Community Lead Local Development, Kleinstadtregionen;
  • Kleinregionen mit mehr als zwei Gemeinden mit ca. 5.000 bis 30.000 Einwohner:innen,
  • interkommunale Kooperationsräume: 2 bis ca. 5 Gemeinden.

Die Praxis zeigt, dass eine präzise Kategorisierung der Regionen nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist. Dennoch spielt die Regionsgröße eine wichtige Rolle bei der Zuordnung von Aufgaben für die Gestaltung der organisatorischen Struktur und bei der Ausstattung mit Ressourcen.

Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene ist wichtig. Sie wird weiter an Bedeutung gewinnen.

  • Gemeinsame Funktionsräume schaffen Chancen und Herausforderungen die stadt- und gemeindegrenzen Überschreiten.
  • Der internationale Standortwettbewerb erfordert konkurrenzfähige Standorträume.
  • Der regionaler Standortwettbewerb erfordert im Sinne einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Raumentwicklung eine koordinierte und kooperative interkommunale Raumentwicklung.
  • Regionale Kooperation ermöglicht die Rückgewinnung von Handlungsspielräumen für Gemeinden auf Beschaffungs- und Absatzmärkten.
  • Die stadtregionale, regionale und interkommunale Ebene leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der gesellschaftlichen und ökonomischen Resilienz (z.B. Naturgefahrenmanagement, regionale Kreisläufe, regionale Ausgleichsmechanismen).

„Im ÖREK wird mehrfach die stadtregionale Kooperation angesprochen: Ein klassisches, aber immer noch drängendes Anliegen der Raumplanung. Hier muss in Zukunft in Österreich mehr passieren, denn die Stadtregionen sind für Menschen wie Unternehmen ganzheitliche Handlungsräume – für Politik und Planung leider oft nicht.“

Rainer Danielzyk, Geograf, ARL Hannover

Die stadtregionale, regionale und interkommunale Handlungsebene wurde daher in drei ÖREK-Partnerschaften intensiv analysiert und gemeinsam mit den regionalen Systemen von Akteur:innen diskutiert. In der ÖROK-Empfehlung Nr. 55 „Für eine Stadtregionspolitik in Österreich“, der „Agenda Stadtregionen in Österreich“ und in zwei Partnerschaften zur „(Stadt-)regionalen Handlungsebene in Österreich“ wurde ein umfassendes Set an Handlungsvorschlägen vorgelegt.

Die stadt(-regionale) Handlungsebene ist in den letzten Jahren durch die Einführung von Modellregionen, jeweils eigenen Fördertöpfen und -mechanismen, Gebietsabgrenzungen und organisatorischen Strukturen unübersichtlich geworden. Die Förderregionen sind teilweise nicht nach funktionsräumlichen Kriterien abgegrenzt, überlappen einander und decken sich oft nicht mit den länderspezifischen Gebietskulissen. Damit entsteht auch eine Überforderung der Systeme von Akteur:innen auf der regionalen und lokalen Ebene. 

Die Einrichtung von neuen Modellregionen soll in wechselseitiger Abstimmung im Rahmen der ÖROK unter den betroffenen Gebietskörperschaften und unter Berücksichtigung der Kompetenzlagen sowie in bestehende organisatorische und rechtliche Strukturen eingebettet erfolgen.

Interkommunale Kooperation in der Raumentwicklung und Raumordnung weiter ausbauen

Handlungsauftrag 4.1.a:

Die zunehmende Komplexität der Aufgaben und die Geschwindigkeit von Veränderungsprozessen sind eine große Herausforderung für alle. Gemeinden und Kleinstädte brauchen einander, damit sie die zukünftigen Herausforderungen besser meistern können. Das erfordert Öffnung und eine Abkehr vom „Kirchturmdenken“ sowie die Bereitschaft, sich auf neue Formen der Koordination und Zusammenarbeit einzulassen.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Die (stadt-)regionale Handlungsebene stärken und die Weiterentwicklung von Formen der interkommunalen Zusammenarbeit unterstützen.
  • Effiziente und effektive Kooperationsformate zur Vermeidung von organisatorischen Redundanzen und zur bestmöglichen inhaltlichen Abstimmung über alle Ebenen weiterentwickeln.  

Raumtypen

kleinere Stadtregionen mit ihren ländlichen Verdichtungsräumen, ländliche Tourismusregionen, ländliche Räume mit geringer Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsrückgang


Relevante Systeme von Akteur:innen

Länder, Städte, Gemeinden, Städtebund, Gemeindebund


Instrumente

Raumordnungsgesetze, Raumordnungsprogramme, Bedarfszuweisungen für die Gemeinden, Förderungen, Regionalverbände, interkommunale Entwicklungsgesellschaften, Verträge, interkommunaler Finanzausgleich, Modellregionsprogramme, (stadt-)regionale Handlungsebene

Die (stadt-)regionale Handlungsebene durch eine bessere österreichweite Vernetzung stärken

Handlungsauftrag 4.1.b:

Die (stadt-)regionale Handlungsebene ist für viele Fragen der Raumentwicklung und Raumordnung sowie der integrierten Regionalentwicklung hochrelevant. Sie ist jedoch rechtlich und institutionell nur schwach verankert. Das ist einerseits eine Schwäche, andererseits aber auch eine Chance, weil Gestaltungsräume für innovative Governanceansätze genutzt werden können.  

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Die (stadt-)regionale Handlungsebene mit dem Auftrag zur Durchführung von österreichweiten Diskursformaten mit einem Fokus auf Schlüsselthemen des ÖREK 2030 stärken.
  • Österreichweite Diskursformate zu ausgewählten räumlich relevanten Themen finanzieren.
  • Den Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer auf der (stadt-)regionalen Handlungsebene stärken.
  • Geeignete Voraussetzungen für eine umsetzungsorientierte Aufbereitung und Nutzbarmachung von planungs- und praxisrelevantem Klima-Wissen für Akteur:innen der Raumentwicklung und Raumordnung schaffen.
  • Spezifische Entscheidungs-, Arbeits-, Vollzugs- und Praxishilfen (Leitlinien, Handbücher, Prüfkriterien, Checklisten, gute Praxisbeispiele etc.) zur gezielten Berücksichtigung des Klimawandels in der Raumentwicklung und Raumordnung bedarfsorientiert erstellen.
  • Vermittlung und Kommunikation an die Akteur:innen der Raumentwicklung aller Planungsebenen (Informationsveranstaltungen, Beratungs- und Schulungsangebote, Aus- und Weiterbildung) unterstützen.
  • Vorschläge ausarbeiten, wie die Wirksamkeit der (stadt-)regionalen Handlungsebene verbessert werden kann.  

Raumtypen

alle Raumtypen mit raumtypenspezifischer Differenzierung


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, Städtebund, Gemeindebund, ÖROK, Regionalmanagements


Instrumente

(stadt-)regionale Handlungsebene, Finanzierung von regelmäßigen Diskursformaten

Die (stadt-)regionalen Potenziale für die Umsetzung von Bundes- und Sektorpolitiken besser nutzen

Handlungsauftrag 4.1.c:

Stadtregionen und andere Regionen leisten im Zusammenwirken mit den Bundesländern wesentliche Beiträge zur Umsetzung von raumwirksamen Bundes- und Sektorpolitiken. Dieses Potenzial gilt es weiter im Rahmen der bestehenden Kompetenzen zu entwickeln. Im Sinne einer gesamtstaatlich wirkungsvollen Raumentwicklung, insbesondere für besonders raumrelevante Themen (z.B. Klimawandelanpassung, Mobilität, Energie), gilt dafür eine effektivere Nutzung. Damit die regionale Ebene im Bereich raumwirksamer Politikbereiche des Bundes stärker als bisher wirksam werden kann, braucht es eine intensivere Einbeziehung und Mitsprache sowie eine bessere institutionelle Verankerung und Ressourcenausstattung für die (Stadt-)Regionen. Für eine allfällig erforderliche institutionelle Verankerung und Ressourcenausstattung ist die wechselseitige Abstimmung zwischen dem Bund und den für die Raumordnung zuständigen Bundesländern eine wesentliche Voraussetzung.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Raumwirksame Bundes- und Sektorthemen identifizieren, für deren Umsetzung die (stadt-)regionale Handlungsebene im Rahmen der bestehenden Kompetenzen einen Beitrag leisten kann.
  • Die (stadt-)regionale Handlungsebene bei der Programmierung von EU- und Bundesförderprogrammen sowie bei anderen Raumordnungs- und Raumentwicklungsfragen auf Bundesebene einbeziehen. 
  • Pilotprojekte für eine themen- und raumtypenspezifische Umsetzung durchführen.
  • Modellregionen für eine themen- und raumtypenspezifische Umsetzung, z.B. zu Beiträgen der Raumordnung zur Klimaneutralität und -resilienz in Abstimmung mit den Ländern und eingebettet in bestehende rechtliche und organisatorische Strukturen auf der (stadt-)regionalen Ebene prüfen. 
  • Raumentwicklungsaspekte in bestehenden Fördermodellregionen (KLAR!, KEM) bzw. in LEADER-Strategien in Abstimmung mit den Ländern berücksichtigen.
  • Neue Aktivitätsfelder in der Gemeindeberatung (z.B. regionale Klimawandel-Transformations-Manager:innen) etablieren und bereits bestehende intermediäre, regions- und gemeindenah agierende Beratungs- und Transferorganisationen (z.B. Klimabündnis, e5) unter gezielter Vernetzung mit bereits etablierten, regionalen Entwicklungsorganisationen der Länder (z.B. Regionalmanagements) stärken.
  • Regionale finanzielle Ausgleichsmechanismen weiterentwickeln. 

Raumtypen

alle Raumtypen mit einer raumtypenspezifischen Differenzierung


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Regionen, Städte, Gemeinden, Städtebund, Gemeindebund, ÖROK


Instrumente

Finanzausgleich, regionale Organisationsformate, Plattformformate für die (stadt-) regionale Handlungsebene, Modellregionen, Pilotprojekte, Förderprogramme

Eine österreichische Stadtregionspolitik in die Umsetzung bringen

Handlungsauftrag 4.1.d:

Städte und Stadtregionen sind wesentliche Akteure der österreichischen Raumordnung und Raumentwicklung. Sie sind Kristallisationspunkte für aktuelle Transformationsprozesse wie Digitalisierung, Migration und gesellschaftliche Vielfalt, Klimakrise und Dekarbonisierung, Bodensparen und Mobilitätswende. Städte und Stadtregionen stehen hier einerseits vor großen Herausforderungen. Sie besitzen andererseits auch große Problemlösungskapazitäten und können das auch als Chance für die zukünftige Entwicklung nutzen.

Mögliche ÖROK-Arbeitsformate und Maßnahmen:

  • Die Realisierbarkeit eines von Bund/Ländern getragenen Stadtregions-Förderprogramms ausgehend von guten Beispielen aus dem Ausland analysieren und allenfalls entwickeln.
  • Die bisher noch offenen Punkte der ÖROK-Empfehlung Nr. 55 „Für eine Stadtregionspolitik in Österreich“ unter Berücksichtigung der unterschiedlichen länder- und regionsspezifischen Gegebenheiten bearbeiten.

Raumtypen

größere Stadtregionen, kleinere Stadtregionen mit ihren ländlichen Verdichtungsräumen


Relevante Systeme von Akteur:innen

Bund, Länder, Städte, Gemeinden, Städtebund, Gemeindebund


Instrumente

Raumordnungsgesetze, Raumordnungsprogramme, Bedarfszuweisungen, Förderungen, stadtregionale Strategien und Konzepte